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Wissenschaft trifft Politik

10/2025: Wie sollten wir in europäische Verteidigung investieren?

Am 15. Oktober 2025 veranstaltete das Jacques Delors Centre in Zusammenarbeit mit der Französischen Botschaft in Berlin eine deutsch-französische Podiumsdiskussion zur Zukunft europäischer Verteidigungsinvestitionen.

In einer Welt, die von wachsender Instabilität und Umbrüchen geprägt ist, hat die Frage, wie Europa seine eigene Verteidigung sicherstellen kann, neue Dringlichkeit gewonnen. Die jüngste Veranstaltung „Research meets Politics“ – gemeinsam organisiert vom Jacques Delors Centre und der französischen Botschaft in Berlin im Rahmen der Reihe „Pariser Platz Dialogue“ – brachte führende politische Entscheidungsträger und Forscher zusammen, um zu diskutieren, wie Europa die für eine stärkere, autonomere Verteidigung erforderlichen Investitionen mobilisieren und koordinieren kann.

François Delattre, Botschafter Frankreichs in Deutschland, eröffnete die Debatte mit einer ernüchternden Einschätzung: „Europa sieht sich mit einer beispiellosen Anhäufung von Bedrohungen konfrontiert, die von Dauer sein werden.“ Er betonte, dass die anhaltende Aggression Russlands gegen die Ukraine und die Zunahme hybrider Kriegsführung es für Europa – und insbesondere für Frankreich und Deutschland – unerlässlich gemacht hätten, mehr Verantwortung für die eigene Sicherheit zu übernehmen. „Ein stärkeres Europa und ein stärkeres Atlantisches Bündnis sind zwei Seiten derselben Medaille“, sagte er und forderte verstärkte gemeinsame Investitionen, eine engere industrielle Zusammenarbeit und ein klares Bekenntnis zur „europäischen Präferenz“ bei der Beschaffung von Verteidigungsgütern. Frankreich und Deutschland, so Delattre, treiben gemeinsame Projekte wie FCAS und MGCS voran, sondieren einen strategischen Dialog über nukleare Abschreckung und fördern Innovationen durch Initiativen, die mit einer europäischen DARPA vergleichbar sind.

Moderiert von Monika Sus, außerordentliche Professorin an der Polnischen Akademie der Wissenschaften und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Internationale Sicherheit der Hertie School, nahmen an der hochrangigen Podiumsdiskussion teil: Sabine Thillaye, Mitglied der französischen Nationalversammlung und Vizepräsidentin des Ausschusses für Nationale Verteidigung und Streitkräfte; Thomas Röwekamp, Mitglied des Bundestages und Vorsitzender des Verteidigungsausschusses; Grégory Claeys, Direktor der Wirtschaftsabteilung des Haut-Commissariat à la Stratégie et au Plan, und Guntram Wolff, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Université libre de Bruxelles.

Ein Wandel in der strategischen Denkweise Europas

Im Laufe der Diskussion waren sich die Redner einig, dass die Frage ist nicht mehr lautete, ob in die Verteidigung investiert werden solle, sondern wie.

Sabine Thillaye forderte Europa auf, „in die Verteidigung Europas” zu investieren, anstatt fragmentierte nationale Anstrengungen zu unternehmen, und betonte die Notwendigkeit von Interoperabilität, vereinfachten Verfahren und einer stärkeren Verbindung zwischen Verteidigungsinstitutionen und den europäischen Bürgern.

Thomas Röwekamp sprach von einem „Umdenken” in Deutschland, wo Sicherheit zunehmend als gemeinsame Verantwortung der Bürger angesehen wird. Über die Budgets hinaus müsse Europa seine operativen Fähigkeiten wiederaufbauen und seine Verteidigungsindustrie stärken, während gleichzeitig die gesellschaftliche Unterstützung für den Militärdienst erneuert werden müsse.

Aus wirtschaftlicher Sicht skizzierte Grégory Claeys die fiskalischen Kompromisse, die mit einer nachhaltigen Erhöhung der Verteidigungsausgaben verbunden sind. Um die NATO-Ziele zu erreichen, sei eine Mischung aus öffentlicher Kreditaufnahme, moderaten Steueranpassungen, Finanzierung auf europäischer Ebene und Strukturreformen zur Förderung von Beschäftigung und Produktivität erforderlich.

Guntram Wolff warnte unterdessen davor, dass die Wiederaufrüstung Europas nicht zu einer neuen Abhängigkeit von US-Technologien führen dürfe. Er plädierte für eine pragmatische „europäische Präferenz“, die die technologische Souveränität schützt und gleichzeitig offene, wettbewerbsorientierte Innovationen fördert. Eine stärkere europäische Verteidigungsindustrie würde sowohl die Sicherheit Europas als auch seine Position innerhalb des transatlantischen Bündnisses stärken.

Trotz unterschiedlicher nationaler Perspektiven machte die Debatte deutlich, dass die Glaubwürdigkeit Europas im Verteidigungsbereich von seiner Fähigkeit abhängt, politisch, industriell und finanziell gemeinsam zu handeln. Der Aufbau einer stärkeren europäischen Verteidigung ist nicht nur eine Frage der Ausgaben, sondern auch des Vertrauens, der Zusammenarbeit und des Willens, gemeinsame Werte zu schützen.

Sehen Sie sich die Aufzeichnung der Veranstaltung hier an:

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More Information

Die Veranstaltung Wissenschaft trifft Politik wurde vom Jacques Delors Centre und der  Französischen Botschaft in Berlin im Rahmen der Reihe Pariser Platz Gespräche organisiert, die französische, deutsche und europäische Vordenker zusammenbringt, um über europäische Politik zu diskutieren.